Warum dein Gehirn nach einem Scheißtag automatisch nach Schokolade schreit – die Wissenschaft dahinter

Warum dein Gehirn nach einem Horror-Tag nach Schokolade schreit – Die wilde Welt des emotionalen Essens

Nach einem stressigen Tag voller Ärger, Zeitdruck und Reizüberflutung greifen viele Menschen wie automatisch zu Schokolade, Keksen oder Chips. Dieses Verhalten nennt man emotionales Essen – ein Phänomen, das tiefgründiger ist, als man denkt.

Eine Umfrage der American Psychological Association hat gezeigt, dass rund 38 Prozent der US-Erwachsenen zu ungesundem Essen greifen, wenn sie gestresst sind – bei Frauen liegt dieser Anteil sogar bei 43 Prozent. Diese Tendenzen sind nicht nur auf die USA beschränkt: Auch in Deutschland sind stressbedingte Essmuster weit verbreitet.

Was ist emotionales Essen?

Beim emotionalen Essen greift man nicht aus Hunger, sondern wegen Gefühlen zum Essen. Der Auslöser ist also kein leerer Magen, sondern oft Frust, Ärger, Langeweile oder Einsamkeit. Der Körper verlangt nach Trost – und das am liebsten in Form von Zucker und Fett.

Die Unterschiede zwischen physischem und emotionalem Hunger sind deutlich:

  • Physischer Hunger entsteht schrittweise, ist mit verschiedenen Speisen zu stillen und endet, wenn man satt ist.
  • Emotionaler Hunger tritt plötzlich auf, richtet sich auf bestimmte Lebensmittel (meist süß oder fettig) und lässt sich kaum durch ein Sättigungsgefühl zügeln – oft mit Reue im Anschluss.

Psychologin Dr. Susan Albers beschreibt emotionales Essen als ein Verhalten, bei dem Essen zur Regulation von Gefühlen genutzt wird – nicht zur Befriedigung körperlicher Bedürfnisse.

Was passiert bei Stress in deinem Gehirn?

Das Gefühl, bei Stress zu Schokolade oder Chips zu greifen, ist neurologisch begründbar. Denn bei Anspannung produziert der Körper das Hormon Cortisol. Dieser Botenstoff erhöht unser Verlangen nach kalorienreicher Nahrung – ein Überbleibsel aus der Steinzeit, als solche Nahrung überlebenswichtig war.

Obwohl unser moderner Stress meist aus Deadlines, Konflikten und Reizüberflutung besteht, unterscheidet das Gehirn nicht zwischen echten und gefühlten Bedrohungen. Die Reaktion bleibt: Energie bunkern – am schnellsten durch Zucker und Fett.

Zudem aktiviert der Verzehr süß-fettiger Speisen das Belohnungssystem im Gehirn. Die Folge: Dopamin wird ausgeschüttet, ein Neurotransmitter, der kurzfristig die Stimmung hebt. Studien zeigen, dass schon der Geschmack von Süßem die Stressreaktion dämpfen kann.

Typische Auslöser für emotionales Essen

Emotionales Essen hat viele Gesichter. Hier sind die häufigsten „Trigger“, die uns zur Kühlschranktür greifen lassen:

Stress

Chronischer Stress ist ein zentraler Faktor für emotionales Essen. Studien zeigen: Wer überlastet ist, greift deutlich häufiger zu ungesunden Snacks – meist ohne echten Hunger.

Langeweile

Wer sich unterfordert fühlt oder Zeit totschlagen möchte, isst oft nur, um sich zu beschäftigen. Das Essen wird zum Zeitfüller – nicht zum Energielieferanten.

Traurigkeit und Einsamkeit

Der Griff zu schokoladigem Trostspender ist häufig ein Versuch, emotionale Leere zu füllen. „Comfort Food“ wird so zum Ersatz für soziale Bindung oder emotionale Stabilität.

Müdigkeit

Bei Schlafmangel sinkt die Impulskontrolle, das Verlangen nach schneller Energie steigt. Besonders Zucker scheint dann verlockend, obwohl er oft nur ein kurzes Stimmungshoch bringt.

Gewohnheit und früh erlernte Muster

Viele Menschen haben schon als Kinder gelernt, Essen als Belohnung oder Trost zu nutzen. Diese Verknüpfungen bleiben oft bis ins Erwachsenenalter bestehen – und zeigen sich besonders in belastenden Zeiten.

Warum Schokolade ganz oben auf der Wunschliste steht

Schokolade ist das unangefochtene Lieblingsmittel, wenn es ums emotionale Essen geht. Kein Zufall – denn sie bietet eine Kombination aus wohltuendem Geschmack, schmelzender Textur und chemischer Wirkung.

Sie enthält unter anderem kleine Mengen an Phenylethylamin (vermutlich stimmungsaufhellend), Anandamid (wirkt entspannend) sowie viel Zucker und Fett – der perfekte Mix zur Aktivierung des Belohnungssystems.

Interessant: Studien belegen, dass sogar der Gedanke an Schokolade bei gestressten Menschen messbar entspannend wirken kann. Das Comfort Food beginnt also im Kopf – lange vor dem ersten Bissen.

Die Kehrseite des emotionalen Essens

So wohltuend Schokolade & Co. im Moment des Verzehrs sein mögen – die langfristigen Folgen können belastend sein:

  • Schuldgefühle: Nach dem Essen kommt oft Reue – besonders, wenn das Verhalten unbewusst oder willensschwach erlebt wird.
  • Gewichtszunahme: Regelmäßiges Überessen jenseits des Kalorienbedarfs führt nicht selten zu Übergewicht und gesundheitlichen Problemen.
  • Emotionaler Teufelskreis: Die Schuldgefühle erhöhen den Stresspegel – der erneut zu emotionalem Essen führen kann.
  • Vermeidungsverhalten: Essen wird eingesetzt, um sich nicht mit schwierigen Gefühlen oder Problemen auseinandersetzen zu müssen.

In der Psychologie spricht man von „maladaptiven Coping-Strategien“ – also Verhaltensweisen, die kurzfristig entlasten, langfristig aber schaden.

Wie du emotionalen Hunger erkennst

Mit diesem kleinen Selbstcheck kannst du herausfinden, ob du gerade aus Emotionalität isst:

  • Kam das Hungergefühl plötzlich?
  • Hast du Lust auf ein spezifisches Lebensmittel (z. B. nur Schokolade)?
  • Wärst du mit einem Apfel zufrieden – oder brauchst du „etwas Richtiges“?
  • Isst du bewusst oder nebenbei beim Fernsehen, Scrollen oder Arbeiten?
  • Fühlst du dich nach dem Essen wohler oder eher schuldig?

Wenn mehrere dieser Punkte zutreffen, ist es sehr wahrscheinlich, dass du gerade emotionale statt körperliche Bedürfnisse zu besänftigen versuchst.

Strategien gegen emotionales Essen – dein persönliches Toolkit

Die 20-Minuten-Regel

Beim akuten Impuls zu snacken: 20 Minuten Pause machen. In dieser Zeit tief durchatmen, spazieren gehen oder ein Glas Wasser trinken. Oft verfliegt das Bedürfnis von selbst.

Notfallplan bei Gefühlswellen

Erarbeite eine Liste mit Aktivitäten für verschiedene emotionale Lagen:

  • Bei Stress: Kurze Meditation, Bewegung, Musik hören
  • Bei Traurigkeit: Mit vertrauten Menschen sprechen, schreiben, Fotos anschauen
  • Bei Langeweile: Neues ausprobieren, aufräumen, spielen, lesen
  • Bei Müdigkeit: Powernap, frische Luft schnappen, Wasser trinken

Achtsames Essen

Wenn du isst – dann bewusst. Kein Multitasking. Setz dich hin und genieße jeden Bissen. Achtsamkeit reduziert unbewusstes Überessen und steigert das Genussgefühl.

Tagebuch führen

Schreibe eine Woche lang auf: Was hast du gegessen, wie hast du dich vorher gefühlt, was war der Auslöser? Dieses Mustererkennen ist ein wichtiger Schritt zur Veränderung.

Gesunde Alternativen bereithalten

Wenn es unbedingt etwas zu Naschen sein muss, greife zu Alternativen: Dunkle Schokolade, ungesalzene Nüsse, selbstgemachtes Popcorn oder Datteln können Bedürfnisse befriedigen – mit besserer Bilanz.

Wann wird emotionales Essen zu einem echten Problem?

Hin und wieder nach einem anstrengenden Tag zu naschen, ist kein Grund zur Sorge. Kritisch wird es, wenn folgende Punkte zutreffen:

  • Du isst regelmäßig über den Hunger hinaus
  • Du nutzt Essen häufig als einzige Reaktion auf Gefühle
  • Du fühlst dich nach dem Essen häufig schuldig oder leer
  • Emotionale Esstage häufen sich merklich
  • Gesundheit, Gewicht oder soziales Leben leiden unter deinem Essverhalten

In solchen Fällen ist es empfehlenswert, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen – vor allem im Rahmen der Verhaltenstherapie, die sich bei Essverhaltensfragen bewährt hat.

Ein menschliches Verhalten – mit Potenzial zur Veränderung

Emotionales Essen ist keine Charakterschwäche – sondern eine zutiefst menschliche Reaktion auf innere Anspannung. Wer zum Snack greift, handelt nicht irrational, sondern versucht, sich selbst zu regulieren. Nur leider ist dieser Mechanismus auf Dauer oft nicht hilfreich.

Entscheidend ist, das eigene Verhalten achtsam und ohne Selbstvorwürfe zu beobachten. Wer emotionale Auslöser kennt und Alternativen kennt, kann sich Stück für Stück ein entspannteres Essverhältnis aufbauen.

Und wenn es doch mal die Schokolade sein muss? Genieß sie – mit voller Aufmerksamkeit und ohne Schuldgefühle. Die Dosis macht das Gift. Der gelegentliche süße Trost ist keine Katastrophe – sondern ein kleines menschliches Zugeständnis an den Alltag.

Welche Emotion bringt dich am häufigsten zum Naschen?
Langeweile
Stress
Traurigkeit
Einsamkeit
Müdigkeit

Schreibe einen Kommentar